Wie aus einem kleinen „Ohrenkneifer“ ein großer Elefant wird.

Psychose in der Hose

Mein Vater hat mir bei Spaziergängen oder in den Ferien immer viele verborgene Schönheiten der Natur gezeigt und erklärt. Das war für mich unheimlich spannend und schön. Irgendwann hat er mir wohl auch gesagt, dass man in früheren Zeiten glaubte, dass die kleine Insekten, die man Ohrenkneifer, Ohrwürmer, Ohrkäfer nennt, nach dem Glauben früherer Generationen in die Ohren kriechen, und von dort im Gehirn ihre Eier ablegen. So erzählt entsprach es ja als Aberglaube durchaus der Wahrheit. Für Mich war es jetzt aber unumstößliche Wahrheit im Hier und Jetzt. Was mein Vater erzählt hatte, war doch immer grundsätzlich wahr.

Da hatte ich jetzt aber dann doch etwas Probleme damit: Immer, wenn Sich meine halbwüchsigen Klassenkameraden bewusst cool mit einen Strohhalm im Mundwinkel in das frisch abgemähte Gras in den Wiesen fallen ließen, sich die Sonne auf den noch schmächtigen Oberkörper brennen ließen und dabei den Strohhalm wie eine gedachte Zigarette mit zwei abgespreizten Fingern aus dem Mund nahmen, um dann in bester Schauspielermanier einen tiefen Zug aus dem Halm zu nehmen. Nur schwer konnte ich vor so viel Männlichkeit bestehen: „Mein Vater hat gesagt, die „Ohrwuisler“ können dir ins Ohr kriechen…“ „Schwachsinn!“ wurde prompt gekontert. Das schien auch unsere ebenso jugendlichen Begleiterinnen überzeugt zu haben. Ohne Zögern ließen sie sich mit einem kaum hörbaren hellen Seufzer zwischen die Jungs plumpsen, ganz ohne wie üblich auf Ihre reinweiße und sicher sau-teure Garderobe zu achten…. und ich war draußen am Weg kalt gestellt.

Elefantenbaby im Gelbgussverfahren mit verlorener Form vom Volksstamm der Gha im Süden Burkina Fasos

„Wusstet Ihr, dass Elefanten sogar Angst vor Mäusen haben, die Ihnen in Ihren langen Rüssel kriechen könnten“, versuchte ich hintenrum meine ablehnende Haltung noch irgendwie aus dem ärgsten Schlamassel heraus zu retten. „ Pass nur auf dass Dir nicht noch gleich eine Maus in deine Hose kriecht und Dir Deinen kleinen Pullermann anknabbert“ Da wurde ich rot und versuchte mein Unwohlsein mit ein paar seltsam anmutenden ungelenken Körperschlenkern zu verbergen, die irgendwelche Tanzbewegungen darstellen sollten und es mir erlauben sollten, mich und mein Gesicht schnell in die andere Richtung aus den Blicken heraus zu drehen. Kaum hatte ich gemerkt – oder bildete ich mir das nur ein- dass mich auch dieses Gebahren eher lächerlich machte, als irgendwie vor der Gemeinschaft reinwaschen konnte, da war es mit der Selbstachtung erst recht vorbei. „Wie ein Elefant im Porzelanladen“ hatte ich mich lächerlich gemacht, schnell den Gedanken herumdrehen!: „Elefanten gelten in Asien als sehr mutige Tiere und auch als sehr weise! Wahrscheinlich sind sie so klug, gerade weil sie es wissen, wann sie vor einem anderen Tier zu sehr im Nachteil sind und dann verlegen sie sich lieber auf Fähigkeiten, mit denen sie trumpfen können“, trumpfte ich auf, um in das Schweigen hinein nachlegen zu können:“

„Mein Papa hat gesagt, das ist immer eine Frage des Standpunktes und des richtigen Überblickes, ob man klug ist, eine Frage der Perspektive!“

Da meine Klassenkameraden gerade dabei waren, aus zu probieren, wer es länger aushielt, ohne Blinzeln in die Augen der Klassenschönen zu starren und dabei ganz ohne Reden und fast ganz ohne Atmen aus zu kommen, war meine Chance gekommen und von der Wegböschung herunter, nahm ich mein jetzt fast wieder ganzes aber insgesamt doch nur ganz wenige Spannlang großes Selbstbewusstsein zusammen und dozierte auf und abschreitend, wie ich es bei unserem Klassenlehrer beim Diktat gesehen hatte:

Ganesha / Mathura, Indien

„Mein Papa hat mir mal ein Määärchen erzählt…“, wobei ich den Begriff Märchen betonend dehnte, lauschend ob von den Klassenkameraden gar Wiederspruch und Gelächter käme:
„Es waren vier Blinde, die wollten ein Ding kennenlernen, dass groß und mächtig über Ihnen schwebte.
Der eine sagte: Ich fühle dicke feste Säulen, auf denen das Ding zu liegen scheint, als wäre es ein ganzer indischer Tempel für Tier- und Menschenopfer.
Der nächste bemerkte ein großes von Schrullen geprägtes Dach wie in einer Erdhöhle, die sich breit nach allen Richtungen über Ihnen erstreckte. Man hat uns hier eingesperrt. Weh uns!
Der Dritte erkannte einen langen Schlauch, der stoßweise heiße Luft herausblies. Ich glaube, sie wollen uns wohl vorher alle hier unten noch rösten!
Der Letzte aber rief: So kommt doch alle! Vor mir hängt eine Quaste. Sicher ist das ein Seilende, mit dem wir uns nach oben in Sicherheit bringen können . Jetzt kommt doch schnell!

„ So geht Perspektivwechsel und nur wenn Alle Ihre Erfahrungen und Ihr Wissen zusammen legen, dann kommen sie drauf, dass das hier…“ hatte mein Vater mir erklärt, aber davon wollten alle meine Freunde jetzt gerade nichts wissen.