„Mädchen, Deine Schwester sagt, auf Deinem Renfell war heute Morgen Blut.“
Die Alten haben Dir bei Deiner Einweisung erzählt, dass dies das Blut Deiner anderen Nabelschnur ist, mit der Du bisher mit der Kindheit verwachsen warst. Die ist gerissen. Jetzt ist es Zeit, von Deiner Familie auf zu brechen. Jetzt bist Du ein zweites Mal geboren, aber Deine Mutter ist eine andere: nicht die Dich genährt und wie all Ihre anderen Kinder geliebt hat, sondern eine, die draußen in der Natur ist, weit weg von unserem Dorf am großen Huricana River. Auch diese Mutter liebt Dich und sie ruft nach Dir und sucht Dich flehend draußen in den Wäldern.
So geh` und nimm` nichts mit Dir außer Deinen Beinen und Deinem Mut, denn der Weg ist weit. Deine andere, Deine Mutter im Geiste, nicht von der Geburt, wartet auf Dich und wird Dich versorgen mit dem Tau des Morgens und der Nahrung der Tiere, Deiner anderen Brüder und Schwestern. Dort am Fluss wirst Du dann finden auch jene Brüder und Schwestern, die noch nicht geboren sind und doch schon schauen das stete Fließen des Stromes. Längst warten sie dort schon ungeduldig darauf, mit Dir zu gehen und Deine Hilfsgeister und wahren Freunde in jener Deiner fernen anderen Welt hier bei uns Menschen zu werden. Dort am Fluss aber ist das Land, das nicht vom großen Geist geschaffen wurde, sondern von unserer aller Mutter, der großen Mutter Natur, die uns alle wieder aufnimmt, wenn es dazu Zeit ist.
Diese Geister haben die Gestalt von Steinen, denn wenngleich neu geboren, sind sie doch alt und unsterblich. Du erkennst Sie vielleicht an der Form eines Eies , aus dem ja das Leben entsteht, aber jede der Formen ist anders. Auch unsere große Mutter mag man manchmal darin sehen. Manche werden sich wie Embryonen zu mächtigen Tiergeister entwickeln, manche haben die Kraft von Pflanzen in sich, die die Krankheiten des Menschen heilen können, andere erinnern Dich an die Körner des wilden Reises von den großen Seen und auch an den Mais der Ebenen, der unsere Brüder und Schwestern ernährt, wieder andere letztlich sind wie die Gestirne, die oben am Nachthimmel über unser Volk wachen. Prüfe, welchen Stein Du Dir unter all den Wartenden auswählst, denn er bestimmt Dein Leben. Schau mich nicht an wie ein Dummerchen, sondern geh´ doch! Geh´ doch endlich! Suche den Stein ,der Dich durchs leben führt!“
In Neufundland am Huricana River, der in die Beringsee mündet, findet man aus dem umliegenden mergeligen Gestein ausgewaschen, sehr flache unterschiedlich geformte runde Kiesel. Die Geologen deuten sie als Gips-Kongregationen, die aus vulkanischen Quellen in Blasenform aufgestiegen und flach gedrückt versteinert wurden. Die Bewohner von Neufundland sagen dazu Fairystones- Feensteine oder ganz einfach „Hurricana“. Auch eine ganz andere Geschichte gibt es dazu, von den unlucky Muffins, die aus Gram über eine zu gesunde Ernährung unter den Jugendlichen versteinert sind. Da muss man sich bei unseren jungen Amerikanern heute ja leider in anderer Richtung Sorge machen.
Im Haus der Kulturen Diedorf können wir neben einigen wenigen anderen ausgesuchten Schmuckstücken ohne Materialwert aber mit lebenserfüllender Geschichte auch ein paar Fairystones an junge Damen abgeben, die Ihre persönliche Fee noch nicht gefunden haben.
siehe auch ‚Von Feen geleitet: Die Mädchen der Algonquin und ihre magischen Steine‘ auf myheimat.de