„Gesichter des Zwiespalts“ – Masken der Naturvölker als Anregung für Picasso und den Kubismus.
„ Schau ich in den Spiegel, wird mir richtig übel“
Diesen Song von Insterburg und Co hatte ich als Jugendlicher mitten in der Pubertät immer im Ohr, wenn ich frühmorgens beim Pickelquetschen versuchte, mein pockennarbiges vom Quetschen entstelltes Gesicht wieder auf Vordermann zu bringen. Doch halt!: alle Pickel konzentrierten sich mehr oder weniger auf eine Seite. So gerötet erschien mir diese Seite auch wesentlich pausbackiger geraten zu sein.
Auf den Fotos, die man nolens volens dann in Zukunft von mir machte, versuchte ich natürlich meine Schauseite ins Bild zu setzen
Irgendwann versuchte ich dann einmal später in Erfahrung zu bringen , wie ich denn mit meiner etwas schlanker geratenen Schauseite beidseitig beglückt, aussehen würde und zerschnitt ein richtig und ein falsch herum vergrößertes Schwarzweißfoto kurzerhand in jeweils zwei Hälften, die ich dann jeweils falsch kombiniert wieder so zusammensetzte, dass jeweils zwei gleiche Hälften jeweils seitenverkehrt wieder zusammen kamen. Das Ergebnis war für mich ebenso verblüffend, wie für jeden , der so einen Versuch unternimmt und plötzlich zwei völlig unterschiedlich aus sehenden Persönlichkeiten gegenüber zu stehen glaubt. Unsere rechte und unsere linke Gesichtshälfte entwickeln sich mit zu nehmendem Alter überraschenderweise ungleich anders.
Da unsere beiden Gehirnhälften wesentlich anderen Aufgaben nachkommen, ganz grob gesagt von rational kritisch zu emotional, und auch unsere Gesichtshälften über Kreuz mit unseren Hirnbereichen verschaltet sind, schaut man eben anders drein links oder rechts.
Es kommt noch schlimmer: „Trifft uns der Schlag“, werden Bereiche der linken oder rechten Hälfte ungenügend durchblutet, betrifft die Lähmung meistens nur eine Gesichtshälfte (Fazialisparese). Eine Gesichtshälfte wirkt gelangweilt entspannt, während sich in der anderen unsere aufgebrachten Gefühle widerspiegeln. Manchmal ist das der Anfang vom Ende und wir verlassen diese schnöde Welt mehr oder weniger christlich begleitet.
Für uns ist es jetzt Zeit auf andere Kulturen zu blicken:
In den meisten einfachen Kulturen fiel diese Unterschiedlichkeit beider Gesichtshälften ebenso auf. Eine ganze Menge an Masken bei vielen afrikanischen Völkern ebenso wie hoch oben im Himalaya, bei den Iroquois im Staat New York ebenso wie bei den Inuit in Alaska haben eine seitwärts unter Muskelanspannung weggeklappte Nase und völlig divergierende Gesichtshälften.
Manchmal scheint es, eine Hälfte lacht, die andere weint, eine schaut entspannt, die andere grimmig, die eine ist weiß, die andere schwarz, wieder eine ist alt, die andere jung.
Besonders häufig kommen diese Maskengesichter bei den Bapende im südwestlichen Kongo vor. Dort kennt man neben der uns ja schon bekannten Krankheit, dem „Schlagfluß“ mit der Lähmung einer Gesichtshälfte auch eine andere Krankheit bei der die Nerven und Gesichtsmuskeln einer Hirnhälfte durch eine Infektion gelähmt werden. Krankheitsmasken, die meist von den Schmieden oder Urwaldheilern geschnitzt werden sollen durch übertriebene Krankheitsanzeichen die Krankheitsdämone vertreiben.
Hässliches kann nur durch noch Hässlicheres kuriert werden. Oft spielen bei den Heilungsprozessen auch die Hormone eine wichtige Rolle, die bei heftiger Emotion und Verängstigung frei gesetzt werden.
Besonders wichtig ist freilich der Glaube an die Heilkraft dieser Masken.
Masken mit kräftiger Wirkung sind üblicherweise sehr ausdrucksstark geschnitzt und bemalt.
Viele Masken gelangten im 19. Jhdt unter der romantischen Begeisterung für alles Einfache und Fremde in die europäischen Museen, so auch ins Trocadéro (Völkerkundemuseum) nach Paris. Auf der Suche nach neuen Anfängen entdeckte sie dort der junge Pablo Picasso und setzte sie und die Erfahrung ,die er mit Ihnen gemacht hatte, dort sofort ohne zu zögern in seine Bilder um. Auffällig erscheint dieses gerade bei einem seiner ersten kubistisch angehauchten Bildern, den :“ Mademoiselle d’´Avignon“, denen er zum Teil ohne Anpassung solch derbe Masken völlig unpassend aufs vorher noch ganz normal gemalte Gesicht knallt.
Auf der Suche nach neuer malerischer Einsicht hatte Picasso bei der Gedächtnisausstellung mit bisher ungesehenen Bildern des gerade verstorbenen Paul Cezanne, dem „Vater der Moderne“, die Zerlegung von Objekt, Portrait und Landschaft in kubistische Elemente gesehen. Jedes Element wird hier durch farbige Schattierung in die drei räumlichen Ansichten also kleine Scheinkuben zerlegt. Bei den afrikanischen Masken sah Picasso ähnliches und war durch die elementare Zerlegung der Elemente des Gesichtes in räumliche Grundformen begeistert.
Noch mehr muss es ihm gefallen haben, dass bei eben jenen oben erwähnten Krankheitsmasken mit einer gelähmten Gesichtshälfte, die Nase nach einer Seite weg geklappt war und nun plötzlich die Seitenansicht einer Gesichtshälfte mit einer anderen frontal gesehenen Gesichtshälfte kombiniert worden war.
Das Gesicht gab also plötzlich beide Ansichten, beide Seherfahrungen wieder. In dieser Simultanität war möglich geworden, was mit bisher brav und genau perspektivisch konstruiertem Illusionsbild seit der Renaissance nie möglich gewesen war.
Die Kunst, die ihren eigenen erfundenen Malgesetzen gefolgt war, war sogar über die exakte aber perspektivisch verzerrte Abbildung der neu erfundenen Fotographie hinaus gewachsen.
Na ja manche meinen ja trotzdem noch immer:
„Lieber vom Leben gezeichnet als von Picasso gemalt“…
wir lassen das gut sein.
Das internationale Maskenmuseum, das eine ganze Reihe dieser Masken zeigen kann, ist nach telefonischer Vor-Anmeldung zu besichtigen.
Rufen Sie an:
+49 8238-60245 oder
+49 8238-300 426 (Gemeinde Diedorf)
zu den Bildern:
- Krankeitsmasken , Pende, Kongo (Bilder 1 – 5 )
- Perchtenmaske zum Aufklappen, Hexe-junge Frau (Bild 6)
- Inuitmaske (Bild 7)
- Inuitmaske aus Walknochen (Bild 8)
- False face der Iroquois (Bild 9)
- Krankheitsmaske der Makua in Tansania (Bild 10)
- Maske aus dem Terai in Nepal (Bild 11)