Gruppenzwang in ungezügelter Jahreszeit: Schwäbisch-alemanische Fasnet

„S‘ goht dagege“: Vom Gruppenzwang in der schwäbisch alemannischen Fasnet

Diedorf: haus der kulturen | Sie sind überzeugtes Mäschkerle? Sie haben Ihr Häs jetzt schon ganz schön abgestaubt und sind bereit für die Fasnet? Prima!
Sie haben sich aus dem Internet schlau gemacht und sich eine Liste sämtlicher Fasnetsläufe 2010 ausgedruckt und übers Bett gehängt?

Bestens!
Ihre Wochenenden bis zum Aschermittwoch sind nun ausgebucht und wehe die Oma wagt in dieser Zeit das Zeitliche zu segnen. Höllenqualen soll sie im Jenseits erleiden!

Die Fasnet kann keine Abtrünnigen und keinen Gegenverkehr gebrauchen!
S‘ goht dagege, aber immer mit der Masse laufen ! Nicht aus dere Reihe tanzen, sonst kommen die Ordnungskräfte wie die Villinger Schandle und schubsen Sie wieder zurück. Sie denken morgens um 5 schon wieder an die schwäbisch alemannischen Gemeinsamkeiten und verlassen die Sitzungen der Fasnetsgilde erst um 3 Uhr morgens?

Das ist Super! Dann erfüllen Sie Ihren Erwartungshorizont 100%ig.
Ein braver Würthemberger!

Ich sehe schon, Sie sind stark genug aufgeladen, jetzt dürfen Sie auch weiterlesen .
Jetzt sind Sie bereit für das , was jetzt noch kommt.

„Es goht degege“
Masken und Fasnet sollen uns aus unserem täglichen Gleichlauf herausheben, sie sollen uns in einer anderen Rolle über unsere Mitmenschen Neues in Erfahrung bringen lassen, sie sollen uns ermöglichen, endlich einmal unsere Meinung sagen zu dürfen. Sie stimmen mir zu? Schön!

Beim gemeinsamen Fasnetsumzug in anderen Gemeinden wollen wir Neues kennenlernen, wollen wir über den Tellerrand hinausschauen lernen, wollen wir auch das Fremde verstehen lernen. Sie stimmen mir nicht zu?

Wir wollen lernen , unsere Meinung frei zu sagen auch, wenn sie nicht gerne gehört wird, wir wollen lernen , sicher unseren eigenen Weg zu nehmen, wollen aber auch viele andere Meinungen akzeptieren lernen.

S‘ goht dagege!
Was bringt es denn, wenn sich Hunderte auf den Umzügen, beinahe identisch uniformiert mit demselben Häs, mit der gleichen Maske von den gleichen Fräsmaschinen in Oberammergau oder Südtirol oder in gar im nahen Owingen wie ein Mahlstrom in Bewegung setzen. Noch uniformer als die Anzüge, Krawatten und Kostüme des täglichen Lebens, noch konformer als der tägliche Stau am Morgen oder zu Ferienbeginn ,wenn man mit dem Auto zur Arbeit oder dann auch wieder Auto hinter Auto in den Italienurlaub schiebt.
„Satanische Verse “ werden Sie sagen, die Strenggläubigen.

Natürlich wundere ich mich eigentlich nicht mehr, daß in mein ungewohnt unkonventionelles, eher chaotisches Maskenmuseum ausserhalb Würthembergs keine schwäbischen Gruppen kommen. Der Weg ist von dort viel weiter als aus Brüssel, Paris, Graz, Ungarn oder gar aus Afrika oder Südamerika. Stimmt’s?

siehe auch den Beitrag auf myheimat.de