Wie der große Geist Wiraqocha, den Streit der Tiere um den Königstitel befriedete

 (Inka-Mythologie)

Frosch und Kolibri als vergoldete Anhänger (Museumsreproduktion) der Tairona (Nachbarn der Inka)

Diedorf: haus der kulturen | Bei den alten Indianer-Völker in Südamerika sah man die Tiere als Brüder und Schwestern, die zwar nicht die Sprache der Menschen sprachen, aber eben gerade deshalb, weil sie nicht so vorlaut und unbedacht daher redeten wie die Menschen, oft sogar ganz still waren, besondere Klugheit besitzen mussten. Man achtete also sehr genau auf ihr Verhalten und sah auch in den Gestirnen Bilder der Tiere, die sich durch ihre Himmelsbewegungen wiederum den Menschen äussern wollten. In den Schatten der Milchstrasse zum Beispiel glaubte man den Fuchs, das Lama und seinen Hirten, die Inka-Wachtel, den Frosch und die Schlange zu sehen.

Auch für Kondor und Jaguar gab es Himmelskonstellationen. Allgemein galt der Jaguar wegen seines Mutes und seiner Kraft als Verkörperung des Helden und war das Zeichen für die mittleren Lebensjahre. Der Kondor geleitete die Toten in die Anderswelt und somit war er Symbol für das Alter. Die Schlange, die wie die kleinen Kinder keine Beine gebrauchen konnte, galt als lebensschöpfende (und durch ihr Gift lebensnehmende) Kraft. Der Fuchs war ein äußerst gerissener Spaßmacher, die Inkawachtel trat in Erscheinung, wenn es Zeit war, die Felder ab zu ernten und die Kröte war ein Fruchtbarkeitssymbol, weil sie immer auftauchte, wenn die Regenzeit unmittelbar bevorstand und es Zeit zur Aussaat wurde. In Pachacamac (Pachakamaq) in Peru, dem Heiligtum des gleichnamigen Schöpfergottes, gab es sogar ein Orakel, bei dem das Verhalten der Frösche eine wichtige Rolle spielte.

Eines Tages kamen die Tiere zusammen, um sich um den Titel des Königs zu streiten.

Der Jaguar war sich natürlich wegen seines Mutes und seiner Kraft allzu sehr sicher, dass sich ihm kein Gegenkandidat würde stellen können. Überrascht hörten die Tiere wie die Kröte aber diesen Titel für sich zu beanspruchen gedachte: Wenn es mich nicht gäbe, so hätte weder Mensch noch Tier zu essen, weil ohne das lebensspendende Wasser vom Himmel keine Nahrung wachsen könnte. Um zu vermeiden, dass sich die beiden Tiere in tödlichem Duell träfen, dessen Ausgang für die Kröte sicher nicht zu Gunsten verlaufen wäre, ergriff der große Geist das Wort und wies der Kröte als Königreich das Wasser zu, dem Jaguar aber überlies er das offene Land. Die Schlange, die jetzt aber auch zu Ihrem vermeintlichen Recht über das Land herangeeilt war, wurde die Tiefe der Erde und die Unterwelt der Toten als Herrschertum zu gewiesen. Nun erhob sich der majestätische Kondor, der den Tieren die Augen aushackt und die Menschen ins Totenreich führt, und wollte sein Stück vom Königstitel ergattern. Keiner in den Lüften könnte es mit ihm aufnehmen und so sei es doch nur rechtens, ihm diesen Königstitel am Himmel zu zu erkennen. Mehr als erstaunt sahen die Tiere, wie jetzt aber der kleine Kolibri sein Stimmchen erhob und kaum hörbar leise zu bedenken gab, dass der Königsgeier zwar der kräftigste Vogel, durch seine Aufgabe als Aasvernichter sicher auch von gewisser Wichtigkeit sei. Er, der Kolibri sei aber im Stande, wegen seiner himmlisch leichten Kost, reinem Nektar und Ambrosia, sogar noch weit über die Grenzen des Himmels hinauf zu fliegen und den Götterboten zu machen. Man solle doch nach kurzer Verschnaufpause und kurzem Imbiss einen Wettkampf beginnen. Als der Kondor sich gestärkt hatte, war er gar mächtig an zu sehen und es schien ihm ein leichtes, diesen Kampf zu gewinnen. Wie es schien, hatte der kleine Vogel ohnedies wohl gar nicht mehr vor, sein Können unter Beweis zu stellen. Denn es war nichts mehr von ihm zu sehen. Also hob der Kondor mit seinen majestätischen Schwingen ab und flog höher und höher. Doch das Verzehrte lag allzu schwer im Magen und schwächte die Kraft seiner Muskeln. Als er dann aber ansetzte, im Gleitflug wieder nach unten zu sinken, verlies plötzlich ein kleiner bunt schillernder Vogel, der Kolibri den Schutz des Geiergefieders , in das er sich als „blinder Passagier“ hinein gekuschelt hatte, und flog in der dünnen Luft mit schnell vibrierendem Flügelschlag weiter und weiter nach oben. Dort aber traf er im himmlischen Garten Wiraqocha selber. Weil er es aber gar so eilig hatte, traf er im wahrsten Sinne des Wortes mit aller Ungestüm Wiraqocha mitten auf die Brust und so übertrug sich ein kleiner Teil der Seele unseres großen Geistes auf den kleinen Kolibri und ein wenig vom quirligen Unternehmungsgeist des Vögelchens übertrug sich auf den Göttlichen. Huch!!! Wiraqocha musste lachen. Du sollst mir als bunter Götterbote der kleinste Herrscher des aller obersten Himmels sein. Der Kondor, konnte aber so weiterhin als König der Lüfte gelten.

Bei den Tairona, einem Nachbarvolk der Inka in Kolumbien, wurden die kleinen Tiersymbole von Frosch, Kondor und Kolibri in einem Gemisch aus Silber, Kupfer, Platin und Gold , dem sogenannten Tumbaga, als kleine Anhänger und Schmuckstücke gegossen, wieder aufgefunden und sind heute zum großen Teil im Goldmuseum in Bogota zu bewundern. Als vergoldete Nachbildungen können wir im Haus der Kulturen Diedorf eine kleine Anzahl davon anbieten.

siehe auch ‚Wie der große Geist Wiraqocha, den Streit der Tiere um den Königstitel befriedete (Inka-mythologie)‘ auf myheimat.de