Masken: Sozialgeschichte der Farben bei den Naturvölkern

Masken : Eine Sozialgeschichte der Farben bei den Naturvölkern

Weiss-schwarz, Tag-Nacht , Pende aus dem Süden des Kongo
Eulen-Maske der Baining aus Neubritannien
Roter Bootslack und Reisszwecken bei einer Buschmaske der Ngere aus Liberia

Diedorf: diedorf | 1.“Schwarz und weiss sind keine Farben“ – sagen meine Schüler, denn so habe ich es Ihnen beigebracht. „Schwarz und weiss sind Helligkeitszustände:
Weiss ist alles Licht auf einmal und bei Schwarz gibt es gar keines mehr „. “ Gut aufgepasst!!“
Wenn die gleisend helle Sonne am tropischen Himmel untergeht, kommt schnell und schwarz die Nacht. Viele Tiere erwachen im Dschungel und gehen auf die Jagd. Um sie vom Lagerplatz oder Dorf fern zuhalten und die Menschen zu wärmen, werden Feuer entzündet. Geht dann die kühl erfrischende Nacht am Morgen wieder, sind die Feuer niedergebrannt: weiss liegt die Asche, schwarz die Kohle des halb verbrannten Holzes.
Das ist wie Tag und Nacht,wie Tod und Leben.
Sengend heiss, weiss brennend wird der Tag werden. Am Abend stirbt ein alter Mann. Seine dunkle Haut ist fahl geworden. Fast so bleich wie die Haut der weissen Touristen, die in Ihren teuren privaten Segeljachten immer wieder am Strand einfallen, der Touristen, vor denen die dunkelhäutigen Kinder immer wieder kreischend davonlaufen: Wer hat Angst vor´m weissen Mann?
Weisse schauen aus wie bleiche noch lebende Tote. Manche dieser Fremden häuten sich wie eine giftige Schlange, der ihr altes Kostüm nicht mehr passt. Von der weissen Oberfläche scheint die Haut schon in kleinen Stücken abzugehen, daß man das rote Muskelgewebe darunter sehen kann – sie nennen es Sonnenbrand.
Der Mann ist gestorben, es ist heiss. Noch in der Nacht hört man Trommeln. Kinder und Frauen sind in den Hütten. Nur ein paar alte Männer warten beim Haus des Verstorbenen. Die Masken kommen. Weisse Punkte schweben auf schwarz-dunklem Grund in den einfach ,doch ausdrucksstark geschnitzten Tiergesichtern: Tüpfelhyänen scharen sich zusammen, wenn man den Tod schon riechen kann.
Die alten Männer wickeln den Toten in eine schöne handgewebte Decke und während die Trommeln weiter dröhnen, setzt sich der Zug in Bewegung. Der Tote wird wie auf einem Boot hin- und her geschunkelt, gedreht und gewendet. Der Zug dreht immer wieder um, und läuft in eine andere Richtung; Der Tote soll nie mehr den Weg zum Dorf zurückfinden, zu groß ist die Angst vor lebenden Toten.
Und wieder gleissende Hitze am nächsten Morgen. Es hat lange nicht geregnet. Wenn sich der Himmel nicht bald erbarmt, wird die Ernte verdorren – wieder einmal.
Vogelmasken werden ausgeschickt, um Wolken heranzutreiben. Die langen hochkannt gestellten beschnitzten Holzbretter, die mit schwarzer Holzkohle und weisser Asche und Kaolinerde bemalt sind stellen die Falken dar, wie sie im Sturzflug mit angelegten Flügeln auf die Erde zurückkehren. In der Nacht schickt man die waagerecht gehaltenen Brettmasken mit den großen Augenkreisen, die aussehen wie große Schiesscheiben. Das sind die Eulen, die auch des Nachts noch jedes Wölkchen auffinden können. Schwarz ist die Nacht und der Tag wird wohl wieder gleissend hell werden.
Der rote Schnabel der Eulen glänzt noch feucht, er ist mit Blut beopfert.
2. „Kräftiges Rot ist Leben, ist Aktion“, sagen meine Schüler.
“ Recht so!“
Die erste bekannte und schmerzlich wahrgenommene Farbe ist sicher Blut gewesen. Kräftig rotes Blut, wo es verrinnt, verinnt auch das Leben. Wer nicht mehr um seine Nahrung kämpfen kann, stirbt, oder wird selber Beute. Schon vom Neandertaler wird rotes Eisenoxid in der Natur gesammelt und den Toten in´s Grab gegeben. Das ist Rot, das überdauert. Das Gesicht des Toten wird mit der Farbe eingerieben, so wirkt er wie der Jäger, der gerade vom frischen Blut getrunken hat. Das Rot einer wütenden, einer kämpferischen Maske.
Blut verliert aber bald seine Kraft , wird braun, es fliesst nicht mehr und verkrustet. Leben ist Kampf um Nahrung, um Überleben bei den frühen Völkern.
An vielen Stellen ist der Boden in Afrika durch rostendes Eisen braunrot: Laterit. Damit kann man eine Maske bemalen: rotbraun. Etwas kräftiger ist da das Holz bestimmter Bäume: Rotholz: Das kann man zerreiben und eine Paste herstellen. Bei den Dan in Lan der Grenze von Liberia zur Elfenbeinküste bemalt man damit manchmal die Feuermeldemaske. Noch viel kräftiger in der Farbe sind aber rote Stoffe. Kaputte T-shirts, die über 3te-Weltsammlungen nach Afrika eingeführtwurden, werden zerissen und auf die Masken geklebt. Das sind zwar nicht mehr so traditionelle Farbstoffe – kommen aber heute schon sehr häufig vor. Auch rote Bootslackreste sind überall verfügbar in den Randgebieten um den großen Fluß Niger. Auch rote Plastikteile, rote Schrotpatronenhülsen, die die weissen Trophäenjäger zurückgelassen haben, rote Plastiksandalen, rotlackierte Reissnägelköpfe aus dem Missionsgeschäft liefern als Applikationen wertvolle Farbakzente. Afrikas sekundäre Bodenschätze sind vielfältig und fast überall verfügbar. Rot ist Aktivität.
3. „Blaue Farbe ist wie der Himmel und das Meer so tief und passiv, daß sie schon jede Aktivität in sich hineinzuziehen scheint“ Wirklich??
Blaue Farbe ist so wenig da und wirklich, weil man ganz früher nichts in der Natur finden konnte, was sie dauerhaft behalten konnte. Der Bach plätschert davon, der hellblaue Stein, den man zerreiben will, wird nur weisses Pulver. Und nur der unheimlich seltene Lapis (l´azuli ), der ganz echte und später so teure blaue Stein enthielt nur Spuren dieser Farbe, die man für die mittelalterliche Malerei mühsam herauswaschen mußte.
Blau ist noch viel seltener wie das echte Rot der Purpurschnecke oder das Zinnober, das nur die Goldmacher in geheimnisvollen Prozessen aus Quecksilber erstellen konnten.
Blau gab es also tatsächlich fast nicht: Blau mußte erfunden werden!
Von den alten Ägyptern: Deren Goldschmiede schmolzen aus Glas und Kobaltverbindungen die schönste tiefblaue und haltbarste Farbe für die Ewigkeit Ihrer Pharaonen zusammen nämlich: Smalte.
Aber auch vom Stamme der Abelam, die am Maprik in Papua-Neuguinea noch wie in der Steinzeit leben. Dieses Naturvolk wurde wie einige andere Völker im Hinterland der Insel erst vor 100 Jahren von Missionaren und Goldsuchern entdeckt . Es kennt keinerlei moderne Kultur. Aber von Ihnen habe ich diese herrliche Maske in Holzkohlenschwarz, Ascheweiss, rotem und gelblichem Eisenoxid und ……Blau gegen einen eisernen Angelhaken eingetauscht .
Nein, das kann jetzt nicht sein! Wer hat´s erfunden?
Im 19. Jhdt. wurde in einer Chemiefabrik in Frankreich aus Teer wie viele andere moderne Anilinfarbstoffe auch ein künstliches schönes tiefes Blau entwickelt, welches bald schon billigst und in Menge hergestellt wurde.
Weil es so billig war, gab man in fernen Ländern, wo die Flüße gelb vor Schlamm dahinströmten und jeder weisse Missionarsrock in Kürze beim Waschen unansehlich schmutzig gelb-braun ( wie voll Kot und Urin!) geworden war, eine kleine Menge davon mit in das letzte Waschwasser und Simsalabim: (Wieder Farblehre) aus Braun und Blau wurde edles Hellgrau, was man dann doch wieder in die Kirche anziehen konnte.
Und wenn der dunkle Boy ein wenig Waschblau gechenkt bekam, dann konnte damit auch meine Maske einen blauen Stirnreif bekommen.

Weiss-schwarz, Tag-Nacht , Pende aus dem Süden des Kongo
Eulen-Maske der Baining aus Neubritannien
Roter Bootslack und Reisszwecken bei einer Buschmaske der Ngere aus Liberia
Maske aus dem Maprik mit Waschblau
Eulenmaske der Bobo Ule aus Burkina Faso
Falkenmaske der Bobo Ule aus Burkina Faso
Rote Schrothülsen bei einer Ngeremaske aus Liberia
Rotholzpulver und Fischgebiss bei einer Maske von den Bidjaghos-inseln
Hyänenmaske der Dogon aud Mali
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